Bericht und Kommentar zur Auftaktveranstaltung (RA H.Bärsch):

1. Zum Verfahren

Ernsthafter Wille zum Klimaschutz ist weiterhin nicht erkennbar. Die Verwaltungsleitung scheint wieder fest entschlossen, Straßenausbau vor den Erhalt unserer Lebensgrundlagen und eine ausgewogene Planung zu stellen. Es ist wieder zu befürchten, dass alles nur protokolliert wird und, wie bisher, alle Einwendungen abgelehnt werden.  Der Präsident der Planungsbehörde, Herr Oehlmann, zeigte keinerlei Einsicht für den Wert der Leinemasch und die Natur am Südschnellweg, trotzdem dieser in der aufwendigen Umweltverträglichkeitsstudie und den Umweltberichten der Stadt nachgewiesen wurde. Natürlich war der Südschnellweg Thema, weil dies eben die Erfahrungen sind, die wir gemacht haben. Die Worte Natur und Umwelt sind im Planungsamt offenbar immer noch nicht angekommen und wurde in den einseitigen, eher belehrenden Vorträgen auch nicht verwendet, was eine Zuhörerin zutreffend kritisierte. 

Nach den Erfahrungen mit dem Runden Tisch und der Expertenrunde von Minister Lies beim SSW- Verfahren ist mein derzeitiger Eindruck sehr deutlich, dass die Verwaltung um Herrn Oehlmann um jeden Preis eine nochmalige direkte Konfrontation mit BürgerInnen und Experten vermeiden will. Deshalb wurde einfach auf Kosten der Steuerzahler die Entscheidung getroffen, ein externes Beratungsunternehmen zu beauftragen, damit die Mitarbeiter nicht mehr direkt mit den BürgerInnen sprechen müssen. Auch der Bürgerrat führt zu Mittelbarkeit, anstatt zu unmittelbar klärenden Gesprächen.

Die juristische Arbeit macht also bei dem Landesplanungsamt eine externe anwaltliche Großkanzlei, die Bürgerbeteiligung ein externes Beratungsunternehmen, die Werbung eine externe Werbeagentur….entschuldigen Sie bitte die Frage Herr Oehlmann, aber wofür bezahlen wir dieses Amt? 

Es gibt Fälle in Deutschland, bei denen der Verwaltungschef seinen Posten räumen musste, weil er die Arbeit durch eine externe Anwaltskanzlei hat machen lassen. Es ist einfach problematisch, wenn öffentliche Interessen, wie Klimaschutz und Volksgesundheit durch private, an Gewinn orientierten Unternehmen, stark beeinflusst werden. Das ist nicht Aufgabe der Verwaltung. Und hat das Land Niedersachsen für so einen weltmännischen Großauftritt überhaupt das Geld? Wäre nicht ein wenig Bescheidenheit das Gebot der Stunde, lieber Landtag?

Das wirkt alle sehr taktisch und gerade nicht bürgernah.  Aber es ist noch Zeit.

Und wie kommen Sie eigentlich darauf, Herr Minister Lies und Herr Oehlmann, dass alle AutofahrerInnen breitere und schnellere Straßen bei Verzicht auf schöne von Grün umrandete Straßen und mehr Ruhe wollen? In den ganzen Gesprächen mit BürgerInnen in Niedersachsen, bei den Bürgerinitiativen, auf dem Regionsentdeckertag, vielen Telefonaten und E-Mails, ist mir eines aufgefallen: „Autos und Straßen über alles“ vertreten nur ganz selten Menschen heut zutage. Das sind dann verhasste Raser oder Radikale, die nur Parolen grölen können. Macht doch mal eine Umfrage! 99,9 % der 200 TeilnehmerInnen am WSW Dialogauftakt waren doch für eine vernünftigen, moderate Erneuerung der Schnellwege unter Einbeziehung von Natur, Klima, Lärmschutz und der Gesundheit der Menschen. Das waren ganz überwiegend normale Leute aus der Mitte der Gesellschaft. Gibt Ihnen das nicht irgendwann mal zu denken? Lärm, Stress, nichts Schönes, wer braucht das noch? Natürlich kann man Straßen und Brücken erneuern, ohne einen Kahlschlag in Landschaftsschutz und Naturschutzgebieten anzurichten. 

Der gesetzgeberische Sinn eines Planfeststellungsverfahrens ist, einen möglichst gerechten Interessenausgleich zwischen allen Belangen zu schaffen. Also Verkehrssicherheit, Wirtschaft und Umwelt sowie Volksgesundheit. Am SSW hat Döhren einen sehr teuren Tunnel bekommen und einen neu gestalteten Platz, aber Ricklingen, Hemmingen und die Nacherholungssuchenden HannoveranerInnen haben im Westabschnitt nur Schutt, zerstörte Natur und noch mehr Lärm bekommen. Sieht so ein gerechter Interessenausgleich aus, Herr Oehlmann (?), insbesondere wenn man bedenkt, dass für die Erneuerung einer Brücke unstreitig kein Tunnel gebaut werden „muss„, es also ein Luxusbonus für Döhren ist. War es nicht doch einfach ein Deal zwischen Töpfer (CDU Döhren), Herrn Althusmann (CDU Land) und Herrn Scheuer (CDU Bund)? Galt dabei nicht die Prämisse, wer den Tunnel will, muss auch die Zerstörung der Leinemasch akzeptieren? Meinen Sie, das haben die BürgerInnen nicht bemerkt, wie hier unsauber gedealt wurde? Und wieso im Einzelnen und ganz genau hat Herr Papenburg laut HAZ-Bericht sein CDU Parteibuch zurückgegeben, weil er den Auftrag für den Bau des SSW nicht bekommen hat? Merkt hier noch irgendjemand irgendwas in Hannover?

Für die Planung ist sehr wohl Ihre Behörde bei der Planung verantwortlich, Herr Oehlmann, und nicht der Bund alleine, der die Belange vor Ort gar nicht kennt. Er genehmigt Ihre Planung später lediglich mit einem „Gesehenvermerk“. Die Machtposition der NLStBV ist also enorm, zumal sowohl der Minister als auch der Landtag fast immer macht, was die Behörde sagt, auch wenn diese oft falsche Prämissen vermittelt. So war es beim SSW, wo es jahrelang hieß, hier gäbe es keine Alternativen, es könne keine Rettungsgassen ohne diese Verbeiterung gebildet werden, der Hochwasserschutz erzwinge dies. Dies hat sich alles als falsch herausgestellt. Darauf hat die Politik durch Akteneinsichten Aufsicht zu üben. Es besteht sonst   die Gefahr, dass sich der Geschmack der Verwaltungsleitung durchsetzt, vielleicht weil eine Variante weniger Arbeit macht oder das eigene Parteibuch es diktiert. Mag sein, dass das in Niedersachsen seit 45 Jahren so gehandhabt wird, aber im übrigen Land und nach der Verfassung sollte eine Verwaltung stets unabhängig sein (Gewaltenteilung).

Beim SSW Verfahren wurden alle über 270 Einwände abgelehnt, keinerlei Entgegenkommen beim Lärm- und Klimaschutz für die betroffenen BürgerInnen von Hannover.

Wir können den BürgerInnen und den Parteien im Landtag nur vorschlagen, genau das zu machen, was Ihr im Koalitionsvertrag vereinbart habt, nämlich erstmal die NLStBV zu einer „modernen Mobilitätsbehörde mit veränderter Personalstruktur“ umzubauen.

 

Wir haben in der Versammlung Herrn Minister Lies und die Verwaltung höflich um folgendes gebeten:

  • Baujuristen und Bauingenieuren der Initiativen Akteneinsichten zu gewähren, insbesondere in die Brückengutachten und Umweltbewertungen sowie künftigen Baufeldgrenzen. Dies ist zur Beurteilung erforderlich und in allen anderen Bundesländern ein einklagbares Recht. Es dürfte sonst nicht möglich sein, Vertrauen der Bevölkerung aufzubauen. Wir verstehen auch nicht, was daran in Niedersachsen so geheim sein soll, es geht nicht um Fragen der nationalen Sicherheit. Eine Behörde ist auch keine Aktiengesellschaft.
  • Bei Pressemitteilungen der Verwaltung sollten auch die Eingriffe in Grünbereiche und Vereine rechtzeitig und umfassend dargestellt sowie öffentlich, leicht und einfach für jeden erreichbar sein.

Anzumerken ist, dass die Pressemitteilung (Newsletter) der Verwaltung bezüglich der Schwanenburgbrücke WSW bereits unklar ist. Zum einen wird, wie bei den Südschnellwegbrücken gesagt, dass empfohlen worden sei, diese bis Ende  2023 zu ersetzen, auf der anderen Seite sei die Brücke aber noch in relativ gutem Zustand. Was soll das heißen? Sperrt Ihr die Brücke in 2 Monaten nicht? Wenn die Zeit dort offenbar doch noch vorhanden ist, wieso ist die Zeit dann für die Brücken im Westabschnitt des Südschnellweges so plötzlich nicht mehr vorhanden? Es wird höflich um Aufklärung gebeten.

Hinsichtlich des Verfahrensvorschlages, einen Bürgerrat beim Westschnellweg einzurichten, werden folgende Bedenken eingebracht:

  • Es sollen Laien durch Los als Teilnehmer ermittelt werden. Damit könnte die Teilnahme von Fachleuten ausgeschlossen werden, ein Schelm wer Böses dabei denkt. Bereits beim SSW-Verfahren wurde sogar auf Fachgutachten lediglich pauschal und unsubstantiiert oder gar nicht reagiert. Wie wird dann wohl erst auf liebe „Wünsche“ von BürgerInnen reagiert werden? Außerdem: Wer kontrolliert das Losverfahren?
  • Es wäre einfacher, Akteneinsichten zu gewähren, damit die Tatsachenvorträge der Verwaltung eingesehen werden können. Woraus soll der Bürgerrat sonst seinen Anregungen ermitteln? Aus der subjektiven Meinung der Verwaltung? Aus vorgegebenen Fragen? Der Sachverhalt sollte erst grob objektiv festgestellt werden.
  • Es sollten auch die Kosten im Blick behalten werden. Derzeit werden ein teures BürgerInnen-Beteiligungsberatungsunternehmen mit vielen Mitarbeitern beauftragt, eine Werbeagentur für Flyer sowie eine externe Großkanzlei. Der Landtag wird höflich angeregt zu erfragen, was das alles kostet und ob das verhältnismäßig ist, zumal es bereits teuer bezahlte Rechtsämter und Verwaltungsmitarbeiter gibt.

Ein normaler Planungsdialog mit Akteneinsichtsrechten und einer offenen Kommunikationskultur wäre doch ausreichend. Dies wird in anderen Bundesländern auch ganz einfach so gehandhabt. Es geht doch nur um Ehrlichkeit und Offenheit gegenüber den BürgerInnen und den Parlamenten in einem öffentlichen Verfahren. Wenn die Verwaltung eine überzeugende Begründung hat, dann muss sie diese doch nicht verstecken und dann wird man sich danach wohl auch richten müssen. Es ist im Übrigen per definitionem kein Gespräch, wenn die Verwaltung einen Vortrag hält und die BürgerInnen Zettel ausfüllen und in einen Kasten stecken dürfen. 

Es ist Aufgabe der Verwaltung stets sachlich, neutral und transparent sein. Den Eindruck hat man bei der NLStBV nun überhaupt nicht.

 

2. Inhaltlich hat die BI-Leinemasch folgende höfliche Anregungen an den Planungsdialog gegeben:

a) Der Straßenabschnitt zwischen Landwehrkreisel und Ricklinger Kreisel sollte mit Lärmschutzwänden und Flüsterasphalt versehen werden, ohne die Bäume am Trassenrand zu gefährden, soweit dieser Abschnitt bei der Sanierung mitgemacht wird, was nicht abschließend klar wurde. Aus Sicht Ricklingens war das aber sofort mitzuteilen, da die Emissionen dieses Abschnitts auf Ricklingen katastrophal sind.

b) Bei der Gesamtplanung des WSW sollte die Treibhausgasreduzierungspflicht nach der Richtlinie des Bundesverkehrsministeriums ARS (Klima) 3/2023 sowie die Richtlinie HNL-S-99 gleichrangig berücksichtigt werden, wonach Ausgleichsmaßnahmen nur als ultima ratio gewählt werden sollten und der Erhalt der Bäume und Natur vor Ort vorrangig vor Ausgleichsmaßnahmen ist. Alle Natureingriffsvermeidungsmöglichkeiten sollten erwogen werden.

Begründung:

a) An diesem Abschnitt liegen umfangreiche Wohnbebauung sowie Kleingärten und eine Schule (Peter-Ustinov-Schule, Grundschule) direkt neben der Trasse ohne Lärmschutz. Es sollte in der Umsetzung geprüft werden, ob der sehr breite Mittelstreifen schmaler gefasst werden kann, damit die Lärmschutzwände gebaut werden können, ohne den alten Baumbestand zu gefährden. Der Baumbestand ist für den hohen Sicht- und Lärmschutz sowie zur Verbesserung der Luftqualität der Anwohner und des Klimaschutzes dringend angezeigt.

b) Wir verweisen insbesondere auf die Richtlinie des Bundesverkehrsministeriums ARS (Klima) 3/2023. Hiernach ist aufgrund der Klimaziele der BRD und der EU auch im Verkehrsbereich THG-reduzierend zu planen. Nach der Richtlinie HNL-S-99 sind nur, wenn nachweislich keine andere Möglichkeit bestehen, auf Ausgleichsmaßnahmen zurückzugreifen und ansonsten die Natur vor Ort so weit wie möglich zu belassen.

Wir hoffen auf einen sachlich und transparent geführten Planungsdialog und eine gleichgewichtige Veröffentlichung aller Meinungen und Einwände.

(Bi-Leinemasch, Helmut Bärsch)

Start Bürgerdialog Westschnellweg am 18.10.2023

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